Kostenrechnung versus Finanzbuchhaltung

Mit dem letzten Kapitel hat sich das Thema "Finanzbuchhaltung" in dieser kleinen Einführung auch schon erschöpft. Neben der Finanzbuchhaltung (Fibu) gibt es noch eine "Parallelwelt" von Berechnungen in einem Betrieb, nämlich die Kostenrechnung, häufig als "Kosten- und Leistungsrechnung" oder als "Kosten- und Erlösrechnung" bezeichnet. Im Prinzip hat die Kostenrechnung mit der Finanzbuchhaltung erst einmal gar nichts tun. In der Betriebswirtschaftslehre wird diese ganz andere Dimension der Betrachtung auch dadurch deutlich, dass man nicht wie in der Finanzbuchhaltung von "Aufwand" und "Ertrag" spricht (was diese Begriffe bedeuten, sollten Sie inzwischen verstanden haben), sondern von Kosten und Erlös. Aber da viele Daten aus der Finanzbuchhaltung anders sortiert auch für die Kostenrechnung verwendet werden können, ist heute in professionelleren Finanzbuchhaltungsprogrammen die Kostenrechnung zumindest teilweise integriert.

Zweck der Finanzbuchhaltung im Unterschied zur Kostenrechnung

Ein wichtiger Unterschied zwischen der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung liegt im Zweck: Bei der Fibu wird die wirtschaftliche Situation des Betriebes beleuchtet und es werden Fragen beantwortet:

und da sich die Besteuerung am Erfolg bemisst, die entscheidende Frage für die meisten Betriebe und der eigentliche Zweck der Finanzbuchhaltung: Der Staat fragt Zweck der Kostenrechnung

Ganz anders die Kostenrechnung: Diese dient in erster Linie dem Zweck, die Kosten und somit die kostendeckenden Preise für die Produkte zu ermitteln sowie der Kostenkontrolle (siehe später). Hierbei ist es nicht nur entscheidend, wie hoch z.B. ein bestimmter Materialaufwand im Betrieb ist, sondern auch für welchen Zweck das Material angeschafft wurde. Im Idealfall kann man einen konkreten Materialbedarf direkt einem Produkt zuordnen: ein Schreiner kauft eine Holzplatte, die er zu einem konkreten Schrank verarbeitet. Dann gibt es jedoch auch Anschaffungen z. B. in der Verwaltung - Bürobedarf für die Sekretärin oder Kosten für die Buchhaltung - die als Gemeinkosten bezeichnet werden und nicht direkt Produkten zugerechnet werden können. Stattdessen müssen mit einem mehr oder weniger komplizierten Verfahren diese Gemeinkosten auf die verschiedenen Produkte umgelegt werden.

Kostenarten, Kostenträger und Kostenstellen

Eine einzelne Buchung, z.B. eine konkrete Aufwandsbuchung, wird in der Fibu einem konkreten Aufwandskonto zugeordnet, z. B. dem Konto "Materialbedarf Holzplatten". Bei der Kostenrechnung spricht man hier von einer Kostenart. Bei den meisten Buchhaltungsprogrammen kann ein Aufwandskonto auch als Kostenart betrachtet werden.

Für die Kostenrechnung gibt es neben den Kostenarten, die wie gesagt der Gliederung der Aufwandskonten im Kontenplan entsprechen, noch die Begriffe Kostenträger und Kostenstellen. Der Kostenträger ist das Produkt, das verkauft wird und dessen Herstellung betriebsintern zu konkreten Kosten führt.

Wie schon erwähnt, können bestimmte Kosten, nämlich die Gemeinkosten, nicht direkt den Kostenträgern zugerechnet werden. Um die Gemeinkosten erst einmal zu ermitteln, gibt es Kostenstellen. Aufwand, der nicht einzelnen Kostenträgern zugeordnet wird, wird Kostenstellen zugeordnet. Die Kostenstellen sind räumliche Orte oder Abteilungen, z.B. Werkstätten, Lager, Büros, Labors oder die Buchhaltungsabteilung.

Wenn nun die Kosten ohnehin nach Kostenstellen aufgeteilt werden, läßt sich noch ein weiterer Zweck der Kostenrechnung verfolgen: die Kostenkontrolle. Falls man sich wundert, wieso gegenüber dem Vorjahr der Bürobedarf um 20% zugenommen hat, so wird man in einem kleinen Betrieb auch ohne Kostenstellenrechnung durch die Betrachtung der wenigen Buchungssätze die Antwort schnell finden. In einem größeren Betrieb ist es dagegen erforderlich, die Kostenart Bürobedarf auf möglichst viele Kostenstellen, also Orte im Betrieb, aufschlüsseln zu können. Nur so läßt sich eingrenzen, welche Abteilung nun auf einmal einen drastisch gestiegenen Bürobedarf verursacht hat. Hierbei lassen sich nun auch Budgetierungen der einzelnen Kostenstellen vornehmen und ein Vergleich Soll (nicht im Sinne von Soll-Haben, sondern von "ursprünglich geplant") und Ist vornehmen.

Der Begriff der Kostenkontrolle darf nicht mit dem englischen Begriff des Controlling verwechselt werden. Controlling ist ein wesentlich umfassender Begriff der Unternehmensplanung und -steuerung.

Die den Produkten direkt zurechenbaren Kosten werden den Kostenträgern zugeordnet und die nicht zurechenbaren Kosten den Kostenstellen. D.h. einzelne Buchungen bzw. Kosten werden möglichst einem Kostenträger zugeordnet und wenn dies nicht möglich ist, dann einer Kostenstelle.

Die Buchungssätze bzgl. Aufwand erhalten somit neben dem Soll- und dem Haben-Konto noch eine dritte Angabe: der Kostenträger oder die Kostenstelle. Salopp gesagt ist eine für Kostenrechnung geeignete Finanzbuchhaltung nicht eine "doppelte", sondern eine "dreifache" Buchführung.

Die auf den einzelnen Kostenstellen ermittelten Beträge stellen in der Summe die Gemeinkosten dar und diese werden in einem speziellen Umrechnungsverfahren auf Kostenträger umgelegt. Dies ist der schwierigste Abschnitt der Kostenrechnung und auch mit hohen Ermessensspielräumen versehen, d.h. es gibt kein wirklich objektives und mathematisch eindeutig richtiges Verfahren, sondern nur plausible Näherungsmethoden.

Zum Begriff der "Leistungsrechnung"

In größeren Betrieben gibt es gefertigte Waren, die nicht für den Verkauf bestimmt sind. Es ist beispielsweise denkbar, dass eine Maschinenbaufabrik einen Gegenstand herstellt, der nicht verkauft werden soll, sondern der Produktion von Produkten dient, die dann verkauft werden. Dies können ganze Maschinen sein, häufig sind es jedoch nur Einzelteile wie Spezialwerkzeuge, Vorrichtungen oder Gußformen. Oder ein Beratungsbüro erstellt eine spezielle Software, mit der eine spezielle Beratungstätigkeit durchgeführt wird, ohne die Software verkaufen zu wollen. Für den Fall, dass derartige Dinge nicht ohnehin in der Finanzbuchhaltung aktiviert sind (d.h. ins Anlagevermögen eingebucht sind und mit jährlichen Raten abgeschrieben werden), müssen sie zumindest in der Kostenrechnung berücksichtigt werden. In diesen Fällen kann man nicht von Erlösen sprechen, denn ein Erlös ist immer mit einem Verkauf verbunden. Trotzdem stellt die Spezialmaschine oder Spezialsoftware zweifellos einen Wert dar, der bei der Kalkulation des Preises der zu verkaufenden Produkte berücksichtigt werden muss: Wenn schon nicht ein Erlös vorliegt, so stellt die Erstellung des Zwischenproduktes eine Leistung dar. In großen Betrieben werden sehr viele derartige Zwischenprodukte produziert und dienen der Produktion oder werden ins Lager gestellt. Deshalb bezeichnet man die Kostenrechnung ausführlich als "Kosten- und Leistungsrechnung", und nicht als Kosten- und Erlösrechnung.

Kosten gleich Aufwand ?

In den meisten Fällen stellen Kosten (in der Kostenrechnung) auch einen Aufwand (in der Fibu) dar und umgekehrt. Es gibt jedoch Kosten, die kein Aufwand sind. Diese werden als Zusatzkosten oder auch als kalkulatorische Kosten bezeichnet. Einige Beispiele:

Erträge gleich Erlös ?

Es gibt Erträge, die nicht aus dem eigentlichen Unternehmenszweck heraus entstehen, beispielsweise Zinsen für Gelder auf Girokonten. Diese Erträge sind für die Kosten- und Leistungs- bzw. Erlösrechnung nicht von Interesse und werden nicht als Erlös bezeichnet.

Umsetzung der Kostenrechnung in der Buchhaltung allgemein

Obwohl die Kostenrechnung bzgl. des Zweckes nichts mit der Finanzbuchhaltung zu tun hat, bietet es sich trotzdem an, Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung zum Teil gemeinsam zu betreiben. Denn ein Großteil der in der Finanzbuchhaltung eingegebenen Daten kann auch für die Kostenrechnung genutzt werden. Deshalb beherrschen manche professionelle Buchhaltungsprogramme auch die Kostenrechnung oder verfügen zumindest über Schnittstellen zwischen Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung.

In der Kostenrechnung werden grundsätzlich nur Netto-Beträge betrachtet. Die Mehrwertsteuer, Umsatzsteuer und Vorsteuer ist somit nur ein Thema für die Finanzbuchhaltung. Für die Kostenrechnung sind außerdem grundsätzlich keine Bestandskonten relevant, sondern nur die Erlöse, d.h. der überwiegende Teil der Erträge, sowie die Kosten (Aufwand plus Zusatzkosten). So gesehen, erfordert die Kostenrechnung vom logischen Konzept her keine Doppelte Buchführung, auch wenn in der Praxis die Kostenrechnung in Systeme der Doppelten Buchführung integriert ist.

Wie schon erwähnt, kann die Gliederung der Aufwandskonten im Kontenplan für die Kostenrechnung als Gliederung der Kostenarten angesehen werden. Allerdings enthalten die Aufwandskonten keine Zusatzkosten.

Zusatzkosten werden in der Buchhaltung üblicherweise auch auf Konten gebucht. Bei TEXTBUCH spricht man von Sonderkonten, die zwar über normale Buchungssätze, aber völlig unabhängig von der eigentlichen Finanzbuchhaltung (GuV und Bilanz) verbucht werden und nur für die Kostenrechnung, nicht jedoch für die Finanzbuchhaltung ausgewertet werden. Da in der Buchhaltung mit "Soll an Haben" immer auf zwei Konten gebucht wird, darf das Buchhaltungsprogramm nur "Fibukonto an Fibukonto" oder "Sonderkonto an Sonderkonto" zulassen. Würde eine Buchung "Fibukonto an Sonderkonto" eingegeben werden, so wäre das Gleichgewicht in der Doppelten Buchführung durchbrochen und die Salden aller Konten der Finanzbuchhaltung wäre nicht mehr Null im Sinne von "Soll gleich Haben".

"Kostenkonten" sind somit "Aufwandskonten" plus "Zusatzkostenkonten".

Kostenträger und Kostenstellen werden immer nur im Rahmen von Aufwandsbuchungen zugeordnet. Bei neutralen Buchungen zwischen Bestandskonten (Neutralbuchungen) kann es keine Zuordnung zu Kostenträgern und Kostenstellen geben.

Die Kostenträger und Kostenstellen werden bei den meisten Buchhaltungsprogrammen auch über Konten verbucht, was jedoch recht aufwendig ist, weil ein einzelner Buchungsvorgang nicht nur einer Kostenart (entspricht meist einem Fibu-Konto), sondern außerdem noch einem Kostenträger oder einer Kostenstelle zugeordnet werden muss.

Beispiel für Buchungen mit Kostenrechnung (in TEXTBUCH-Schreibweise)

TEXTBUCH verwendet den Begriff der "Positionen" als übergeordnete Bezeichnung für Kostenträger und Kostenstellen. Die Positionen werden nicht über weitere Konten, sondern durch eine besondere Zeichenfolge im Buchungstext umgesetzt, wobei Kostenträger und Kostenstellen mit einem Sonderzeichen davor geschrieben werden, z. B. $ für Kostenträger (Eselsbrücke: die Dinge, mit denen man Geld verdient) und # (Hash- oder Gefängniszeichen) für Kostenstellen. Als Beispiel dient eine Schreinerei:

# Kostenstellen
$ Kostenträger

b Bürobedarf
m Materialaufwand
g Aufwand Gebäude
2 Ertrag
G Girokonto


15.01.24 5000 Blatt A4 für #Sekretariat b:G 20,00 17.01.24 Computermaus für #Sekretariat b:G 25,00 18.01.24 Neues Sägeblatt für Kreissäge #Werkstatt b:G 55,00 25.01.24 Holzeinkauf für Projekt $Schrank_Meier m:G 250,00 26.01.24 Farblasur für Projekt $Schrank_Meier m:G 50,00 28.01.24 Materialeinkauf für Projekt $Tisch_Huber m:G 200,00 15.02.24 Rechnung $Schrank_Meier bezahlt G:2 400,00 17.02.24 Rechnung $Tisch_Huber bezahlt G:m 300,00

"Sekretariat" und "Werkstatt" sind Kostenstellen, die nicht einem konkreten Projekt oder Produkt zugeordnet werden können. "Schrank_Meier" und "Tisch_Huber" sind Kostenträger.

Eine einfache Gemeinkostenumlegung sieht folgendermaßen aus: Wenn man vereinfacht davon ausgeht, dass nur die oben genannten Buchungen existieren, dann müssen die Beträge der zwei Kostenstellen aufaddiert werden, um zu den Gemeinkosten zu gelangen, das wären also 100 EUR. Die direkt zurechenbaren Kosten für Schrank_Meier betragen 300 EUR, die von Tisch_Huber 200 EUR. Die Summe der direkt zurechenbaren Kosten betragen somit 500 EUR, wobei 60% dem Schrank und 40% dem Tisch zugeordnet sind. Die Gemeinkosten als Summe der Kostenstellen betragen wie gesagt 100 EUR. Der Gemeinkostenanteil für den Schrank beträgt 60 EUR und für den Tisch 40 EUR. Der kostendeckende Preis wäre für den Schrank 360 EUR und für den Tisch 240 EUR. Da der Schrank für 400 EUR und der Tisch für 300 EUR verkauft wurde, macht die Schreinerei mit dem Schrank 40 EUR und mit dem Tisch 60 EUR Gewinn. D.h. über diese Beträge ist der Verkaufspreis höher als die Kosten, die man incl. Gemeinkosten auch als "Vollkosten" bezeichnen kann. Aus Sicht der Schreinerei war somit der Tisch das lukrativere Projekt, mit einer Gewinnspanne von 300/240 = 1,25 = 25%, während der Schrank nur auf eine Gewinnspanne von 400/360 = 1,11 = 11% kommt.

In der Praxis sind in diesem Fall die Buchungen etwas komplizierter, weil man Material nach dem Einkauf erst im Lager zwischenlagert und von dort dann mit einzelnen Buchungssätzen bei Entnahme auf die einzelnen Projekte verteilt und außerdem gestellte Rechnungen erst im Konto "Offene Rechnungen" bis zum Zahlungseingang zwischengelagert werden. Über die geleisteten Schreiner-Arbeitsstunden muss dann projektbezogen ebenfalls Buch geführt werden. In TEXTBUCH können hierfür sog. Stücklisten erstellt werden, in denen ein Mitarbeiter z. B. Stunden bezogen auf ein Projekt festhält und an anderer Stelle die Stück-Summen (also hier die geleistete Arbeit) wieder in Geldbeträge umgerechnet werden:


Datei Zeitaufwand-Werkstatt.txt:

27.01.24 ~Schreinermeister_Schmidt $Tisch_Huber 4,5 30.01.24 ~Schreinermeister_Schmidt $Schrank_Meier 5

Die Textbuch-Funktionalität der Positionen ist völlig allgemein gehalten. Auch Mitarbeiter können als Positionen gebucht werden, mit beispielsweise dem Sonderzeichen ~ (Tilde), das hat dann gar nichts mit Kostenrechnung zu tun, sondern kann dann beispielsweise mit Aufwands/Lohnbuchungen gekoppelt und ausgewertet werden.

Vollkosten, Grenzkosten, Deckungsbeitrag

In Grenzfällen kann es sinnvoll sein, ein Projekt zu einem Preis unter den Vollkosten, aber über den direkt zurechenbaren Kosten anzunehmen. In diesem Fall entsteht kein Gewinn im oben dargestellten Sinne (Verkaufspreis größer Vollkosten), aber das Projekt trägt immerhin noch etwas zur Deckung der Gemeinkosten bei. Über das Jahr betrachtet steigt der Gewinn des Betriebs, denn würde das Projekt nicht realisiert, dann würde auch der Deckungsbeitrag zu den Gemeinkosten fehlen. Doch wenn diese Rechnung im Sinne von Preis = Grenzkosten (d.h. direkt zurechenbare Kosten) + Deckungsbeitrag (nur anteilige Deckung der Gemeinkosten) ständig angewendet wird, geht der Betrieb pleite, weil er dann seine Leistungen ständig unter den Vollkosten anbietet. Er kommt nur dann "auf seine Kosten", wenn er nur so weit in Einzelfällen unter Vollkosten anbietet, wie er bei anderen Projekten über den Vollkosten liegt.

Eine kleine Anekdote zeigt das Dilemma der Grenzkostenrechnung: Ein Brezel-Bäcker und ein Brötchen-Bäcker, die am selben Platz ihre Waren verkaufen, machen ein Seminar über Grenzkostenrechnung. Der Brezel-Bäcker bietet nun gelegentlich noch Brezeln zu Grenzkosten (d.h. ohne Gemeinkostenzuschlag) an, der Brötchen-Bäcker bietet gelegentlich auch preiswerte Brezeln zu Grenzkosten an. Die Kunden merken das und kaufen beim Brötchen-Bäcker nur noch die preiswerten Brezeln und beim Brezel-Bäcker nur noch die preiswerten Brötchen. Darauf gehen beide Bäcker pleite, weil sie ihre Produkte dauerhaft unter Vollkosten anbieten.